Über diesen Schatz freuten sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Historisches Erbe“ des Roten Kreuzes in Dachau ganz besonders. Heinz Fiederer überreichte dem Rotkreuzmuseum den Mitgliedsausweis seines Urgroßvaters Franz Xaver Heigl sowie weitere historische Dokumente, Fotografien und Zeitungsausschnitte.
Der BRK-Kreisvorsitzende Bernhard Seidenath, seine Stellvertreterin Angelika Gumowski, und die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Historisches Erbe“ Florian Heiser und Bernd Wanka nahmen die Raritäten im alten Haus am Rotkreuzplatz entgegen, für dessen Errichtung sich Franz Xaver Heigl 1949 eingesetzt hatte. Der 76-jährige Urenkel Heinz Fiederer hat sich in seiner Jugend ebenfalls im BRK Dachau engagiert, war Gruppenleiter im Jugendrotkreuz. Die Familiendokumente hat er über Jahrzehnte aufbewahrt, denn an ihnen ist auch die Geschichte der alteingesessenen Dachauer Bürgerfamilie Heigl ablesbar.
Die Zeitdokumente sind aber vor allem ein wichtiger Bestandteil der Historie des Kreisverbandes. Bernhard Seidenath richtete sich an Heinz Fiederer und seine Frau Angie: „Ihr Nachlass ist genau das, was wir hier im Kreisverband Dachau mit unserer Arbeitsgruppe „Historisches Erbe“ verfolgen. Dass wir dank Ihnen Lücken in der Dokumentation unserer Geschichte schließen können, ist ein echter Glücksfall.“
Das BRK Dachau wurde 1889 – nach einem schweren Eisenbahnunglück in Röhrmoos mit vielen Toten und Verletzten – gegründet. Unter dem Vorsitz des Dachauer Buchdruckers Franz Mondrion hatte sich eine Reihe von Dachauer Bürgern zusammengetan, um im zivilen Bereich, bei Unglücken aber auch in Krankheitsfällen, rasch Erste Hilfe leisten zu können. Einer von ihnen war Franz Xaver Heigl, geboren 1871, von Beruf Geometer oder „Planinspektor“. Auf einem Gruppenfoto der Freiwilligen Sanitätskolonne von 1889 ist er in der zweiten Reihe zu erkennen. Er war nach Franz Mondrion der zweite Kolonnenführer in der Gründungsgeschichte des BRK Dachau. Unter seiner Führung konnte am 1. Juli 1919 auch der Bevölkerung der erste motorisierte Krankenwagen vorgestellt werden.
Der Ausweis mit der Mitglieds-Nummer 1, ausgestellt am 18. September 1929, zeigt ihn im fortgeschrittenen Alter in der grauen Uniformjacke mit glänzenden Knöpfen, Koppelgürtel und Rotkreuzmütze.
Das Familienfoto, aufgenommen am 27. November 1936, präsentiert den Patriarchen Franz Xaver Heigl im Kreis seiner ganzen Familie. Rechts vorn im Bild sitzend hält er das Baby und jüngsten Enkel, Armin Heigl, auf den Knien. Links neben ihm sitzt seine Ehefrau Franziska. Zwischen den Großeltern steht der achtjährige Heinrich, der Vater des Stifters Heinz Fiederer. Eingerahmt wird das Ehepaar Heigl von zwei Töchtern und zwei Söhnen mit den jeweiligen Ehepartnern. Links stehen Josef Heigl mit seiner Frau Fanny, in der Mitte Heinrich Fiederer mit seiner Frau Franziska, geborene Heigl und die Oma von Heinz Fiederer. Rechts daneben Maria (geb. Heigl) und ihr Mann Fritz Böswirth, ein Metzger. Rechts außen Franz Heigl mit seiner Frau Gunda. Franziska Heigl betrieb viele Jahrzehnte in der Dachauer Altstadt ein Geschäft.
Mit Kolonnenführer Franz Xaver Heigl ist auch die Geschichte des Roten Kreuzes in der Zeit des NS-Regimes verbunden. Der Historiker und Leiter des Rotkreuzmuseums, Tizian Bartling, hat sich in einer Forschungsarbeit damit befasst. Als einer der ersten deutschlandweiten Vereine wandte sich das DRK schon kurz nach der Machtübernahme freiwillig den Nationalsozialisten zu und besiegelte dies mit einer neuen Satzung im November 1933. Auch die Dachauer Sanitätskolonne gliederte sich künftig nach dem Führerprinzip. Aus den Dachauer Rotkreuzlern wurden DRK-Oberhelfer, DRK-Wachtführer oder DRK-Feldführer. 1938 wurde das Rote Kreuz auch offiziell zum paramilitärischen Sanitätskorps der NSDAP. Für Franz Xaver Heigl bedeutete dies einen Einschnitt. Nunmehr fungierte er als Bereitschaftsleiter der männlichen Bereitschaft. Als Kreisstellenleiter wurde ihm Landrat Dr. Emil Böhmer vorgesetzt – langjähriger Angehöriger der NSDAP und Fördermitglied der SS. Unter Böhmers Führung engagierte sich das Dachauer Rote Kreuz ab 1942 unter anderem am Betrieb des Durchgangslagers für Zwangsarbeiter in der Kufsteiner Straße.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 genehmigte die amerikanische Militärregierung dem Roten Kreuz als einem der ersten Vereine die Wiederaufnahme seiner Aktivitäten. Landrat Böhmer wurde als Leiter des Dachauer Roten Kreuzes abgesetzt und Franz Heigl wieder mit der Koordination der Rotkreuzaktivitäten in Stadt und Landkreis betraut. Am 19. Mai 1948 konnte Franz Xaver Heigl im Tätigkeitsbericht von 1947/48 die Rekordzahlen von 2.098 Krankentransporten und eine Fahrleistung von 57.195 Kilometern verkünden. 1949 reiften Pläne für ein eigenes Rotkreuzheim. Ehrenkolonnenführer Franz Heigl und Kreisgeschäftsführer Ernst Hammer rührten hierfür die große Werbetrommel.
Am 5. November 1948 wurde Franz Xaver Heigl vom BRK-Landesvorstand für besondere Verdienste um die Sanitätskolonne zum Ehrenmitglied des Bayerischen Roten Kreuzes ernannt. Franz Heigl starb am 23. März 1953 mit 82 Jahren. Er war über Jahrzehnte der Inbegriff des Roten Kreuzes Dachau. Sein nun übergebener Nachlass dokumentiert über 50 Jahre Dachauer Rotkreuzgeschichte. „Dass wir unsere eigene Geschichte und unser Rotkreuzmuseum mit diesen Dokumenten ergänzen können, ist sensationell“, betont Tizian Bartling und freut sich darauf, diese Geschichte in zukünftigen Ausstellungen weiterzugeben.