Jedes fünfte Kind in Deutschland ist arm, so die Statistik. Aus diesem Grund veranstaltete der BRK Kreisverband zum ersten Mal für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kindertagesstätten zu diesem brennenden Thema einen Fachtag.
Initiiert wurde der Fachtag Kinderarmut vom BRK-Kreisgeschäftsführer Paul Polyfka, organisiert und durchgeführt haben die Veranstaltung die Fachberatung Kindertageseinrichtungen Ursula Singer-Parzefall und die Referatsleiterin Kindertagesstätten Kathrin Ferland. Der Austausch sei unbedingt notwendig, betont Paul Polyfka, denn: „Nach meiner Wahrnehmung steigt die Armut unter den Kindern. Wir erkennen das aus Gesprächen und wenn beispielsweise Elternbeiträge nicht bezahlt werden. Deshalb haben wir überlegt, was wir als Kreisverband für die betroffenen Familien tun können.“
Der BRK-Kreisverband Dachau ist mit 11 Einrichtungen und rund 1000 zu betreuenden Kindern der größte Träger für Kinderbetreuung im Landkreis. Etwa 200 Erzieherinnen, Kinderpflegerinnen und Auszubildende sind beim BRK Dachau beschäftigt. Als Fachberaterin ist es Ursula Singer-Parzefall wichtig, dass das Erziehungspersonal einen engen Kontakt zu den Eltern pflegt und mit pädagogischem Blick auf Veränderungen achtet. „Die Bilder von Armut sind in jeder Familie unterschiedlich. In unserem Arbeitsalltag müssen wir darauf achten“, so Singer-Parzefall. Den Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen fällt beispielsweise auf, wenn die Qualität der mitgebrachten Brotzeit schlecht ist oder ein Kind gar keine Brotzeit dabei hat, auch wenn zu klein gewordene Kleidung oder Schuhe nicht ersetzt werden.
In Deutschland leben rund 21 Prozent aller Kinder mindestens fünf Jahre dauerhaft oder wiederkehrend in einer Armutslage. Der aktuelle Armutsbericht der Bertelsmann-Stiftung belegt diese Zahlen. In einem Vortrag legte die Bildungswissenschaftlerin und Diplom-Sozialpädagogin Anita Meyer die unterschiedlichen Gesichter von Armut in den Familien dar, die in der Regel aus Einkommensarmut resultiert. „Die Familien haben wenig Geld für gesundes Essen, Bildung, Hobbies oder Urlaub, die Kinder nur geringe Chancen auf gesellschaftlichen Aufstieg“, so Anita Meyer. In Workshops wurden die Möglichkeiten erarbeitet Angebote für die betroffenen Familien zu gestalten. „Wir suchen gemeinsam nach Lösungen, in denen Eltern sich nicht outen müssen und wir wollen alle Familien erreichen“, erläutert die Referatsleiterin Kindertagesstätten Kathrin Ferland. Dazu gehört armutssensibles Handeln, denn das Thema ist stark mit Scham besetzt, wie Expertin Anita Meyer betonte. So wurde unter anderem die Idee einer Tauschbörse geboren, in der getragene Kleidung oder Spielzeug ausgetauscht werden können. „Wenn eine Matschhose zu klein geworden ist, muss von den Eltern nicht gleich eine neue gekauft werden. Davon profitieren alle und wir vertreten darüber hinaus den Aspekt der Nachhaltigkeit“, so Kathrin Ferland.
Dass die Armut von Jahr zu Jahr steigt, bestätigen die Mitarbeiterinnen. Anett Gotter, Erzieherin in der Kinderkrippe und stellvertretende Leiterin der Schatzinsel in Karlsfeld berichtete: „Die Armut unter den Kindern wird von Jahr zu Jahr mehr. Als Erzieherinnen reagieren wir darauf mit Wertfreiheit und geben den Kindern ein Sicherheitsgefühl.“ Iwona Malczyk ist seit Oktober 2017 als Heilerziehungspflegerin in der Integrationsgruppe der Zwergerlstube in Karlsfeld beschäftigt. Über die Armut in ihrer Heimat könne sie viel erzählen, so die aus Polen stammende Erzieherin, aber dass auch das reiche Bayern betroffen sei, hätte sie nie gedacht. Sie betont: „Wir versuchen die betroffenen Eltern zu erreichen, mit ihnen zu sprechen und den Kindern Geborgenheit und Wertschätzung zu geben.“